Gülsün Karamustafa - Sonderausstellung er Künstlerin auf der Biennale Istanbul 2013
Einer der bekanntesten und wichtigsten Künstlerinnen der Türkei, Gülsün Karamustafa, ist auf der Biennale Istanbul eine eigene Sonderausstellung gewidmet. Wir hatten das große Glück, die Künstlerin nicht nur persönlich zu treffen, sondern mit ihr auch durch ihre Ausstellung und damit gleichzeitig durch ihr vielseitiges und spannendes Leben gehen zu können.
Die 1946 in Ankara geborene Künstlerin hat kein einfaches Leben hinter sich – ihre weitverzweigte Familie erlebte Krieg und Vertreibung, folgerichtig zieht sich das Thema Exil und Migration durch ihr Werk, ebenso wie kulturelle Differenzen, Orientalismus, die wechselnde Rolle der Frau etc. Man muss Gülsün Karamustafa auch als politische Künstlerin bezeichnen, die sich in ihrem gesamten künstlerischen Lebensweg kritisch mit der jeweiligen politischen Situation in der Türkei auseinander setzte. Insofern überrascht es nicht, dass ihr Mann und sie während der Zeit der Militärregierung zeitweilig in Haft waren und dass sie bis 1986 keinen Pass hatte und erst danach die Welt bereisen konnte. Sie wurde nach dieser Zeit der Isolation in den letzten 20 Jahren zu einer der wegweisenden Künstlerinnen der Türkei mit vielen internationalen Ausstellungen – auch oder gerade in Deutschland.
Wenn man mit ihr durch ihre umfassende Ausstellung bummelt, dann erlebt man eine ungeheure Vielfalt an künstlerischen Ausdrucksformen: von der Ikonenmalerei geprägte Bilder, Videoarbeiten, Fotografien, Installationen, Skulpturen, Fragmente etc. – und oft spannende Mischformen dieser darstellenden Kunstformen. Sie erzählt nicht nur die eigenen Lebensgeschichten, sondern auch das schicksalhafte Erleben von ihr ausgewählter Personen, z.B. einer österreichischen Architektin.
Ebenso wie sie virtuos Stile und Darstellungsformen mischt, sind auch ihre Inhalte von größter Vielfalt geprägt. Sie geht mit großer Ernsthaftigkeit auf politische und soziale Entwicklungen ein, kümmert sich um Einzelschicksale und gesellschaftliche Umbrüche, aber auch mit einer gehörigen Portion Humor zeigt sie z.B. die fortschreitende Verbreitung des Kitsches als Kunstersatz auf.
Ein Besuch Ihrer Ausstellung ist sehr empfehlenswert, benötigt aber Zeit, da es sehr viel zu entdecken gibt, viele Geschichten erzählt werden, Historisches und Modernes sich mischt, Orient und Okzident sich treffen, überraschende Installationen zum Nachdenken zwingen, Kitsch sich mit Kunst mischt, Rätselhaftes und Banales sich harmonisch vereinen – die vielfältigen Erfahrungen eines ganzen Künstlerlebens werden sehr kurzweilig präsentiert!
Klaus Weidner, September 2013
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