Am diesjährigen Gallery Weekend nahmen offiziell 47 Galerien in 5 Stadteilen teil - tatsächlich nahmen weit über 100 Galerien in der ganzen Stadt die Gelegenheit war, sich dem internationalen Besucherkreis im besten Licht zu zeigen.
Ich zitiere zunächst den Tagesspiegel: „Das Gallery Weekend ist ein Erfolgsmodell, mit Nachahmern in vielen Städten auf der ganzen Welt….Erst der Eventcharakter macht das Gallery Weekend zur Attraktion, niemals sonst kommen mehr Sammler in die Stadt und nehmen sich Zeit für`s Galerien-Hopping. An die geballte Aufmerksamkeit hängen sich viele dran: Museen, Privatsammler, Kunstvereine, Stiftungen, Off-Spaces.“
Mein persönliches Galerien-Hopping begann freitags in Schöneberg, dann folgte ein Tag in Mitte und schließlich sorgten die bekannten Galerien in Charlottenburg für einen vergnüglichen Sonntagnachmittag. Im Folgenden gehe ich in Wort und Bild auf die Künstler / Galerien ein, die mich persönlich beeindruckt haben und biete dem Leser somit meine sehr subjektive Sicht der Dinge – man möge mir im einen oder anderen Fall die Auswahl verzeihen.
Schöneberg
In Schöneberg war die Auswahl in diesem Jahr sehr einfach, hier beherrschte der Berliner Künstler Jonas Burgert (geb. 1969) zu Recht die Szene. Im weitläufigen Gelände der ehemaligen Druckerei des Tagesspiegel haben sich mehrere Galerien angesiedelt. Blainsouthern bot dort Burgert die entsprechenden Räumlichkeiten, um sowohl sein 22 Meter langes Hauptwerk, als auch seine bemerkenswerten kleineren Bilder und Porträts zu präsentieren. Vor 10 Jahren noch völlig unbekannt, hat er sich zum internationalen Superstar entwickelt, dessen Bilder in Teilen an Hieronymus Bosch erinnern und insofern keine leichte Kost bieten. In einem Interview sagt der Künstler: „Dieses herrliche Desaster von …Religionen, Kriegen, Liebe etc. erzeugt meine Idee der Zuspitzung von überbordendem, wunderbarem Blödsinn. Wir machen uns immer wieder Hoffnungen die scheitern, dann wieder neue etc.“.
Im selben Gebäude stellte die Gallery Esther Schipper die Künstler Angela Bulloch (1966) und Anri Sala (1974) aus. Unter dem Titel HEAVY METAL BODY zeigte Bulloch ihre bunten, dynamischen Skulpturen mit geometrischen Verzerrungen, während Anri Sala u.a. ein Sound- und Videospektakel eines sich zum Teil verselbständigenden Klavierspiels präsentiert, in dem die Marseillaise und die Internationale in Einklang gebracht werden sollen.
Taussende von Besuchern drängten sich im Hof und den Galerien am Eröffnungsabend – was für ein toller Start ins kunstvolle Wochenende! Der Gegensatz zur kleinteiligen Galerienszene in Mitte könnte größer nicht sein. Aus dem fast unübersehbaren Angebot an z.T. jungen, unbekannten, aber auch sehr renommierten Künstlern habe ich in der folgenden Bildergalerie meine Favoriten ausgewählt.
Linienstraße | Auguststraße
In der Linienstr bei neugerriemenschneider wurde Michel Majerus (1967-2002) großflächig präsentiert. Seine farbigen Malereien auf Aluminiumpaneelen erinnerten mich an Sportszenen auf der Laufbahn – diese banale Interpretation stimmt leider nicht überein, mit der offiziellen Interpretation dieser Schlüsselwerke!
Immer wieder interessant ist der Besuch der Galerie Neu, ein schmuckloser Betonkasten, passend zu einer klassischen Plattenbausiedlung dahinter, die aufgehübscht überlebt hat. Hier wurden die grellbunten, großflächigen Arbeiten von Andreas Slominski unter dem beziehungsreichen Titel „transhumanistisch“ präsentiert.
Deutlich kleinteiliger ging es gegenüber in der Galerie Martin Mertens zu, wo die junge, polnische Künstlerin Anna Kott (Jg.1992) farblich wunderbar komponierte Arbeiten vorstellte und die Japanerin Yuka Kashihara (Seelen-)Landschaften als „Objekte der Meditation und zur Besinnung auf die innere Landschaft des Betrachters“ darbot.
Bei Rasch Ripken nebenan zeigte der Holländer Jan Ros perfekte, menschenleere und bedrückende Einsamkeit in der Großstadt, Edward Hopper lässt grüßen.
Die international bekannte Großgalerie Sprüth Magers ließ es gleich mit drei sehr unterschiedlichen Ausstellungen und Künstlern „krachen“:
Der vor 3 Jahren verstorbene Otto Piene verzauberte die Betrachter mit seinen filigranen Lichtinstallationen.
Die scheue, amerikanische Künstlerin Lucy Dodd (1981) begrüßte den Besucher mit einem deckenhohen Gemälde, das wie ein Portal in ihre Ausstellung wirkte. Dodd arbeitet mit den unterschiedlichsten Naturmaterialien, Pilzen, Flechten, Erde, Blüten, „die man auf einem Wochenmarkt ebenso finden könnte, wie bei kultischen Ritualen“. Ihre rätselhaften Bilder appellieren an die Fantasie der Betrachter.
Mit den wunderbaren Istallationen aus Licht, Duft und Sound der Schweizerin Pamela Rosenkranz (1979) schließt sich auch wieder der Kreis zum Zerokünstler Piene.
In der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße präsentierte die Galerie Fuchs „Behind the Screen, An Art Tribute to Isabelle Huppert“. Zu Ehren der französischen Schauspielerin visualisierten diverse Künstler mittels Zeichnung, Fotografie und Video ihre subjektive Sicht auf die Wandlungsfähigkeit Hubberts – eine sehr gelungene Hommage.
Ebenfalls in der jüdischen Mädchenschule präsentierte die Galerie CWC mit Tina Berning & Michelangelo Di Battiste ein Künstlerpaar - sie Malerin, er Fotograf - das sich auf eindrucksvolle Weise gegenseitig inspiriert und beeinflusst. Unter dem psychologischen Titel „Me and I“ werden die Porträts schöner Frauen gleichzeitig präsentiert und künstlerisch mit unterschiedlichsten Materialien und Techniken verfremdet. Für mich eine des spannenden Entdeckungen dieses Galley Weekends.
City West
Der dritte Tag des Gallery Weekends führte mich in die City West, in den schon seit Jahrzehnten traditionellsten Kunstbezirk in Charlottenburg. Folgerichtig wurde in vielen Galerien, die ja schon weitgehend Institutionen sind, bekannte Künstler wie Tapies, Stöhrer, Förg, Fleury etc. vorgestellt – in der Fotogalerie gehe ich kurz auf die Hauptwerke ein. Hier und da konnte ich aber auch für mich Neues entdecken, wie z.B. in der Galerie Kornfeld, die den französischen Fotografen Stephane Couturier präsentierte. Seine eindrucksvollen, multikulturellen Porträts von Menschen, Szenen in trostlosen Großstädten, blutigen, religiösen Handlungen, humorvollen Schaufensterauslagen etc. zeichnen ein eindrucksvolles Bild von der multikulturellen Problematik und Herausforderung im heutigen Frankreich – sehr aktuell am Vorabend der Präsidentenwahl!
Die Philipp Haverkamp Galerie präsentierte u.a. spannende, abstrakte Arbeiten von Anna Grath, während sich Contemporary Fine Arts an neuem Standort im „alten Westen“ mit den provozierenden Arbeiten von Sarah Lucas gebührend einführte. Teile dieser Arbeiten entstanden im Vorfeld bei möglicherweise witzigen Osterhappenings, getrennt für Männer und Frauen.
Pankow und Mitte
Zum Schluss möchte ich noch zwei Spezialevents erwähnen, die ich im Umfeld des Gallery Weekends besuchte.
Zum einen reanimierte eine Künstlerkooperative die weitgehend verlassene Willner Brauerei in Pankow. In total heruntergekommenen Räumen kontrastierte die gezeigte moderne Kunst mit dem abbruchreifen Charme bröckelnder Decken und Wände – in keiner anderen deutschen Stadt wäre hier eine Erlaubnis für eine Publikumsveranstaltung erteilt worden – das macht eben Berlin aus, „arm, aber sexy!“. In der folgenden Fotogalerie zeige ich die Umgebung und beispielhaft Arbeiten meiner Künstlerfreunde Masch, Romy Campe und Susanne Zagorni.
Am Vorabend des Gallery Weekends eröffnete die kleine, aber feine Anaid Galerie in Mitte eine Ausstellung des ungarischen Künstlers Pal.B.Stock – Splash of Love. Pal (Jg.1964) arbeitet mit Ölfarben und Bienenwachs auf Holz und wird auf meiner Website www.art-fashion-consulting.com mein nächster Künstler des Monats.
Klaus Weidner Berlin, Mai 2017
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Bernhard Kulisch (Donnerstag, 11 Mai 2017 11:04)
Jonas Burgert habe ich mir auch noch angeschaut. Sensationell! Auch der Typ ist irre! Ein echter Künstler. Vielleicht beim nächsten Mal zusammen?